Der Grand - Prix von Ungarn 1998
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Ausgelassene Menschen, Fahnen, die geschwenkt werden, laute Musik.
Das ist die Atmosphäre auf dem Campingplatz an einem Formel 1-
Wochenende. Sie zieht einen regelrecht mit und ist ein fester
Bestandteil des Wochenendes.
Es war das vierte Mal, daß wir zu einem Formel 1- Rennen gefahren sind.
Der Grand Prix von Ungarn (dieses Jahr vom 14.08. bis 16.08.1998)
ist dabei zu einem unserer Lieblingsstrecken geworden. Deshalb war es
keine Frage, ob wir diesmal wieder hinfahren würden.
Mittwochabend um 23 Uhr kamen wir am Campingplatz, der direkt an der
Strecke lag, an. Es war einfach toll, diese Stimmung wieder mitzuerleben.
Wir gingen noch schnell duschen. Aber wie letztes Jahr gab es nur
eiskaltes Wasser. Unsere "Nachbarn" (es waren 6 Männer aus dem Sauerland)
für diese Zeit waren sehr hilfsbereit und freundlich. Nachdem wir uns
noch einen Augenblick mit ihnen unterhalten hatten, gingen wir ins Bett.
Wir wußten, daß alle Fahrer, Teambesitzer und Mechaniker Donnerstag
zur Strecke kommen, um sich zu besprechen.
Deshalb gingen wir früh -
morgens hinunter zum Eingang des Fahrerlagers. Dort trafen wir einige
Leute wieder, die letztes Jahr auch da waren. Es dauerte nicht lange
und die ersten Fahrer kamen. Die Autogrammjagd konnte nun beginnen.
Insgesamt waren wir 12 Stunden dort. Ich konnte eine beachtliche
Anzahl an Autogrammen aufweisen. Man kann sich das nicht vorstellen.
Die Fahrer sieht man sonst nur im Fernsehen und auf einmal stehen sie
vor Dir. Es regnete Freitagmorgen. Deshalb gab es viele Unfälle auf der Strecke.
Wenn ich mich an letztes Jahr erinnere, war die Tribüne fast nur von
Schumacher- Fans besetzt. Doch dieses Jahr waren es viel weniger.
Die Hälfte aller Fans waren Finnen. Auch diesmal war ein prominenter
Gast in der Boxengasse zu sehen, Sylvester Stallone. Er wird in einem
Film einen Formel 1- Fahrer spielen und möchte viele Eindrücke bei Live-
Rennen sammeln.
Nach den beiden Trainingseinheiten ging ich wieder zum
Fahrerlager. Ich habe dort wohl mehr Zeit verbracht als auf der Tribüne.
Aber das lange Warten hatte sich spätestens dann gelohnt, wenn der
Lieblingsfahrer vorbeikam und winkte. In meinem Fall war es Damon Hill.
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Ich muß sagen, daß es manchmal nicht ganz leicht war als Damon Hill- Fan,
denn die Intoleranz einiger Schumacher- Fans war und ist immer noch sehr groß.
Wie konnte jemand aus Deutschland ein Fan eines englischen Fahrers sein?
Diese Konflikte mit manchen Schumi- Fans vergrößern aber nur meine Unterstützung
für Damon. Am Samstag wurden die Tribünen immer voller. Sogar auf den
Naturtribünen war kein Grün mehr zu sehen. Es herrschte eine angespannte
Stimmung zwischen Schumacher- und Häkkinen- Fans. Obwohl Mika die Pole- Position
erzielte, freuten sich die "Rotkäppchen", wie sie genannt werden, über den
3. Startplatz Schumachers, denn die McLaren- Dominanz ist im Training kaum
zu durchbrechen.
Noch waren die Finnen oben auf, was sich am Rennsonntag aber
schnell ändern sollte. An diesem Abend warteten wir sehr lange am Fahrerlager.
Einige Fahrer versuchten sehr schnell nach dem Qualifying zu ihrem Hotel
zu kommen. Besonders diejenigen aus den schlechteren Teams wie Arrows, Tyrell
und Minardi. Ich denke, sie rechnen sich keine großen Chancen im Rennen aus.
Die Fahrer der Top- Teams hingegen kommen zum Teil erst spät am Abend aus dem
Fahrerlager. Wer viel Ausdauer zeigt, kann auch an diesem Abend viele Autogramme
bekommen. Um 22 Uhr kam dann endlich der letzte Fahrer, Damon Hill.
Am Sonntag hieß es früh aufstehen, denn wenn man zu spät kam, konnte es
passieren, daß man nur noch Platz auf den Treppen oder am äußersten Ende der
Tribüne fand. Wir saßen wieder auf den Plätzen, von denen man die ganze Boxengasse,
sowie später auch Start und Siegerehrung gut sehen konnte. Um 9.30 Uhr begann das
Warm-up. Die Tribünen waren jetzt schon zu 3/4 besetzt. Es ist faszinierend den Teams vor
einem Rennen zuzusehen. In der Box herrscht eine regelrechte Aufregung.
Das Beste am Wochenende ist die Fahrerparade. Ich sage dazu immer
Viehtransport, denn alle Fahrer werden auf einem planenlosen LKW einmal um die
Strecke gefahren. Das ist dann die letzte Chance, den Fahrern über Plakate,
Fahnen, Zurufe etc. etwas zu übermitteln. Ich selbst malte ein Schild für Damon
mit:"Good Luck Damon" darauf.Da ich morgens so früh wie möglich auf meinem Platz
sitzen mußte, konnte ich es ihm nicht mehr persönlich sagen.
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Ich glaube, daß sich die Fahrer ein bißchen freuen, wenn sie sehen, daß es dort
jemanden gibt, der sie so unterstützt. Die Zeit zwischen Fahrerparade und Öffnen
der Boxengasse ist sehr lang. Ein Rennen zweier Silberpfeile (unter anderem von
Juan- Manuel Fangio) aus den 50er Jahren und eine Flugshow überbrückten die Zeit.
Alle Boliden standen nun in der Startaufstellung. Nach der Einführungsrunde durfte
sich nun niemand mehr auf der Start- und Zielgeraden aufhalten. Die Ampel zählte
runter. Anspannung war bei allen zu spüren. Dann der Start. Alle sprangen auf,
daß ich kaum noch etwas sehen konnte. Aus meiner Sicht sollte Damon seine 4. Position
behalten haben, was sich dann nach der ersten Runde als falsch herausgestellt hat.
Die Zeit verging wie im Flug. Die zu fahrenden 77 Runden waren schnell
vorbei. Zu Anfang des Rennens versperrten finnische Fahnen die Sicht, doch als
Mika ein technisches Problem bekam und Michael Schumacher nach einer genialen
Boxenstrategie die Führung übernahm, waren die Tifosi kaum noch zu halten.
Das weiß-blaue Fahnenmeer ging in Ferrari-Rot über. Der italienische Streckenkommentator
überschlug sich, so wie die heißblütigen und emotionellen Italiener eben sind.
Doch dies entschuldigt nicht, was sich nach der Zielüberfahrt Schumachers abspielte. Schumi-
Fans auf den Naturtribünen überrannten
regelrecht die Absperrung, obwohl das Rennen noch nicht von allen Fahrern
beendet war. Ich selbst kletterte auch über den Zaun. Doch bis ich all den
Stacheldraht überwunden hatte, war das Rennen längst zu Ende. Damon beendete
das Rennen mit dem 4. Platz. Ich war überglücklich über diese Position. Die
Siegerehrung glich einem italienischen Volksfest, als die italienische Hymne
erklang. Es war der hellste Wahnsinn, es brach eine echte Hysterie aus, die im
Fernsehen gar nicht zu sehen war. Ich hatte das Glück, daß ich mich mit einem
Mechaniker des Jordan Teams unterhalten konnte. Er erzählte, daß Damon wahrscheinlich
sehr früh zum Flughafen fahren würde. Diesmal ging ich nicht aus dem Tribünenausgang,
sondern aus dem Ausgang des Fahrerlagers. Kurze Zeit später kam er dann wirklich.
Er sah glücklich aus. Ich stellte mich mitten auf die Straße, mit meinen beiden
Fahnen. Wie erstarrt blickte er auf die größere Fahne mit dem Autogramm, das er mir
letztes Jahr gab. Dann sah er mich mit dem gleichen Blick an. Auf einmal legte sich
ein Lächeln auf sein Gesicht. Hatte er sich an letztes Jahr erinnert? Ich rief
ihm "Congratulations" zu. Er erwiderte "Thank you very much" und winkte
mir nochmals zu.
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Als wir wieder auf dem Campingplatz ankamen, riefen ein paar
Schumi- Fans: "Damon, Damon!". Er hatte Mika Häkkinen noch überholt und
ihm so einen WM - Punkt abgenommen. Es war schön, daß einige Häkkinen-
Fans zusammen mit Schumacher- Fans feierten, lachten und tranken. Wir feierten
mit unseren "Sauerländern" ausgelassen bis in die Nacht hinein.
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(c) November 1998, August-Bebel-Schule, Kirchplatz 6, 19258 Boizenburg, Germany
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